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ROMEOs Wahlumfragen: Warum wir sie durchführen und was sie offenbaren

Unsere neueste Wahlumfrage in Deutschland, bei der die rechte AfD mit 28 % von 60.500 Stimmen führte, sorgte für Schlagzeilen in den Medien und der politischen Landschaft. Ähnliche Trends wurden zuvor bereits in Österreich und Frankreich beobachtet. Wir haben die Reaktionen genau verfolgt und gewartet, bis sich die Wogen der deutschen Wahl etwas geglättet haben, um weitere Informationen bereitzustellen.

Keine Manipulation festgestellt

Die größte Sorge bzw Hoffnung, die geäußert wurde – bis hin zu Verschwörungstheorien – war, dass der Umfragelink weitergegeben und die Ergebnisse gezielt manipuliert wurden (z. B. in Telegram-Gruppen).

Wir teilen diese Bedenken und sind uns unserer Verantwortung bei der Durchführung solcher Umfragen bewusst. Deshalb kündigen wir sie nicht im Voraus an, halten das Zeitfenster kurz und nutzen ein Umfragetool, das einfache Mehrfachabstimmungen von einem einzigen Gerät blockiert.

Es gibt zwei einfache Gründe, warum wir überzeugt sind, dass die Ergebnisse die Stimmen der ROMEOs widerspiegeln und nicht manipuliert wurden:

Grund 1: ROMEOs stimmen zu schnell ab

Innerhalb der ersten 24 Stunden erhielten wir 28.120 Stimmen! In den folgenden Tagen nahm die Anzahl der Stimmen organisch ab, ohne unerwartete Spitzen. Eine Erinnerung wurde am 30. Januar versendet.

Grund 2: Konsistente Ergebnisse von Anfang an

Die Ergebnisse vom ersten Tag blieben im Wesentlichen während der gesamten Umfrage unverändert. Der Anteil der AfD nahm im Laufe der Zeit auf natürliche Weise kontinuierlich ab.

Erwähnenswert

Wir wurden von Correctiv kontaktiert und gebeten, den Umfragelink zu teilen, um zu überprüfen, ob er weiter verbreitet wurde. Da wir seit dem 13. Feb nichts von ihnen gehört haben und kein Artikel zu diesem Thema erschienen ist, gehen wir mal davon aus, dass nichts gefunden wurde.

Zur Methodik

Wir wurden für die fehlende Repräsentativität der Ergebnisse kritisiert. Tatsächlich versenden wir eine Nachricht mit der Einladung zur Umfrage an alle Nutzer eines bestimmten Landes. Diese Methode ist als selbstselektionierte Stichprobe bekannt.

Unserer Meinung nach besteht die größte Schwäche dieses Ansatzes darin, dass die Ergebnisse davon abhängen, wo die Einladung verbreitet wurde. Dies würde auch stark abweichende Ergebnisse erklären.

Allerdings ist eine repräsentative Studie innerhalb einer spezifischen Subpopulation, wie beispielsweise der Regenbogen-Wählerschaft, nicht möglich, da für deren Verteilung in der Grundgesamtheit der Wahlbevölkerung aus nachvollziehbaren Gründen keine genauen Kennwerte vorliegen. Genau aus diesem Grund nutzen auch andere dieselbe Methode wie wir.

Stereotype durchbrechen

Erstens: Insgesamt scheint es, dass ROMEO-Nutzer mehr oder weniger ähnlich wie der Rest des Landes abgestimmt haben. Insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die meisten ROMEOs Männer sind.

Die Stärke der AfD scheint hauptsächlich auf Kosten der konservativen CDU zu gehen, die deutlich niedriger liegt. Zusammen erreichten sie jedoch fast das gleiche Ergebnis (46%) wie bei der tatsächlichen Wahl (49%).

Gleichzeitig schnitten die Grünen und linke Parteien zusammen etwas besser ab – vermutlich wegen ihrer historischen Verdienste, wie etwa der Einführung der Ehe für alle. Aber der Effekt ist bei weitem geringer als erwartet.

Zweitens: Wir weisen das Klischee von “alten, weißen, schwulen Männern” zurück – ein Begriff, der ironischerweise gleichzeitig Alter, Hautfarbe, Geschlecht und Sexualität diskriminiert.

Tatsächlich hätte die AfD 33 % erreicht, wenn nur die Stimmen der unter 40-Jährigen gezählt worden wären. Dieses Ergebnis sollte nicht überraschen, da es mit breiteren Studien über die politische Entwicklung jüngerer Wähler übereinstimmt.

Drittens: In der ersten Stunde der Abstimmung erreichte die AfD sogar 36 %! Diese Stimmen kamen von Nutzern, die genau in dem Moment online waren, als die Umfrage versendet wurde.

Unsere Vermutung? Je sexuell aktiver, desto mehr unterwegs, desto häufiger allein auf der Straße bei Nacht. Wir glauben, dass die Demografie von ROMEO – mit einem höheren Altersdurchschnitt und einer starken sozialen Komponente – geholfen hat, noch schockierende Ergebnisse zu verhindern.

Ein Wunsch an unsere Familie

Beim Verfolgen der Reaktionen im Internet haben wir häufig die Forderung gesehen, dass sich schwule, bisexuelle und lesbische Menschen von der trans, queeren und nicht-binären Bewegung unabhängig machen sollten.

Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, um klarzustellen: Bei ROMEO sind alle neuen Buchstaben im Alphabet willkommen, und ihr seid ein gleichwertiger Teil unserer Community – nicht mehr und nicht weniger. Und wir haben den Eindruck, dass auch nichts anderes erwartet wird. Genau aus diesem Grund haben wir uns übrigens entschieden, bei der traditionellen Regenbogenflagge als Symbol für Gleichberechtigung zu bleiben.

Wir sind ohnehin eine kleine Familie – und gemeinsam sind wir stärker. Wir wünschen uns mehr gegenseitiges Verständnis und Akzeptanz, denn was uns vereint, ist unser gemeinsamer Kampf in einer Gesellschaft, in der unsere Sexualität nicht der Norm entspricht.

Don’t Shoot the Messenger

ROMEO war schon immer ein Ort für Freundschaft, Community und offene Gespräche – und natürlich gehört Politik dazu. Seit Jahren führen wir diese Wahlumfragen durch, um unseren Usern in Ländern mit einer starken Nutzerbasis eine Stimme zu geben.

Natürlich repräsentieren diese nicht die gesamte Regenbogenfamilie – die große Gruppe der Lesben fehlt beispielsweise. Beste Grüße! Dennoch sehen wir unseren primären Zweck – Dating – als Vorteil, denn sexuelle Anziehung verbindet uns über alle gesellschaftlichen Blasen hinweg.

Gerade deshalb halten wir es für entscheidend, bei unseren Umfragen neutral zu bleiben, damit unsere Einladung von allen akzeptiert wird, um ein möglichst realistisches Bild zu erhalten. Wir verstehen, dass diese Ergebnisse für viele überraschend oder sogar schockierend sind. Wir bitten um Verständnis, dies ist nicht unsere Intention. Wenn überhaupt, möchten wir Wasser ins Feuer gießen, auch wenn es erstmal ordentlich dampft.

Basierend auf den Diskussionen in den sozialen Medien haben wir jedoch den Eindruck, dass der Schock in den Nachrichten größer war als in den Kommentarspalten. In diesem Zusammenhang möchten wir auf einen Artikel von Jan Feddersen in QUEER NATIONS hinweisen: „Queere Verbände repräsentieren viele LGBTI nicht!“.

Unabhängig von den endgültigen Prozentzahlen sehen wir unsere Ergebnisse als einen lauten Hilferuf. Wir möchten queere Vertreter ermutigen, ohne Mauer im Kopf zuzuhören – insbesondere der Jugend. Mit einem Aufruf zum Sex-Boykott zu antworten, erscheinen uns da wenig hilfreich.

Abschließend möchten wir fragen:
Wäre es wirklich so schlimm, wenn wir wie alle anderen abstimmen?
Oder zeigt es nicht vielmehr, wie viel Gleichberechtigung bereits erreicht wurde?

Jens Schmidt
CEO & Founder